Es gibt vereinfacht gesagt zwei Strategien im Umgang mit der Corona-Pandemie. Für die erste Strategie steht die Great-Barrington-Erklärung, deren Unterzeichner auf die Erreichung einer Herdenimmunität durch natürliche Infektionen und die Begrenzung der Schutzmaßnahmen auf Risikogruppen setzen. Das John Snow Memorandum ist eine Reaktion auf die Great-Barrington-Erklärung und steht für die zweite Strategie. Es hält die Strategie einer kontrollierten Durchseuchung für zu gefährlich, für unethisch und undurchführbar und setzt auf eine konsequente Eindämmung des Virus. Die deutsche Gesellschaft für Virologie hat am 19. Oktober eine Stellungnahme veröffentlicht, welche der Great-Barrington-Erklärung eine Absage erteilt und das John Snow Memorandum unterstützt. Auch die Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie und die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie unterstützen das John Snow Memorandum. Die deutschen Virologen Schmidt-Chanasit und Streeck haben bisher an keiner Stelle, etwa über Twitter oder an anderer Stelle, ihre Zustimmung zur Stellungnahme der deutschen Gesellschaft für Virologie oder zum John Snow Memorandum bekundet. Anhänger der Idee der Herdenimmunität durch natürliche Infektionen berufen sich häufig auf Streeck, zum einen, weil er im Sommer empfahl, Millionen Deutsche sollten sich infizieren, um wieder mehr Normalität zu erlangen, zum anderen, weil er die Gefahren durch das Virus, so zumindest der Vorwurf seiner Kritiker, herunterspielt. Sucharit Bhakdi sagte am 1. November, das von Schmidt-Chanasit und Streeck am 28. Oktober vorgelegte "Positionspapier zur Strategieanpassung im Umgang mit der Pandemie" gehe "konform" mit der Great-Barrington-Erklärung.
Welche ethischen Orientierungspunkte speisen Theologie und Kirche in die Debatte über die richtige Strategie im Umgang mit der Corona-Pandemie ein? Wie bewerten christliche Medizin- und Sozialethiker oder Moraltheologen das Konzept der Herdenimmunität ohne Impfung, also die Great-Barrington-Erklärung? Von theologischer Seite fehlen bisher Wortmeldungen zu diesen Fragen.

• Ausgerechnet am Tag, an dem ein Neuinfektions-Höchststand gemeldet wird, fordern Wissenschaftler und Ärzte um Hendrik Streeck eine Abkehr von der bisherigen Strategie
  Von Christina Berndt, Felix Hütten und Christina Kunkel, SZ

• Die Autoren maßen sich an im Namen der Wissenschaft zu sprechen und ergeben sich offenbar dem Schicksal einer unkontrolliert expandierenden Pandemie in unserem Land
  Das Papier hinterlässt den Eindruck eines bewussten Spiels mit dem Feuer, meint Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer (Univ. Köln)

• Falsch und makaber, angesichts drastisch steigender Infektionszahlen den Eindruck zu erwecken, dass "ein bisschen Kontrollverlust" gar nicht weiter schlimm sei
  Vorsitzende des Marburger Bundes kritisiert das Positionspapier scharf

• Ethikrat-Vorsitzende nennt Positionspapier "aus ethischer Perspektive verantwortungslos"
  

• Die gemeinsame Erklärung der führenden deutschen Wissenschaftsorganisationen
  

• Ein Papier, das ein Umdenken fordert, aber vollkommen unbeantwortet lässt, wie man aus der aktuellen Situation herauskommen soll
  Von Florian Schumann und Jakob Simmank, Die Zeit

• Das Papier bietet keine Antworten auf die derzeit drängenden Fragen
  Von Christina Kunkel, SZ

• Dem Ziel, dass möglichst viele Menschen ihren Beitrag zur Eindämmung des Virus leisten, haben die Autoren wohl einen Bärendienst erwiesen
  Von Heike Le Ker, Julia Merlot, Katherine Rydlink und Nina Weber, Der Spiegel

• Geht es den Autoren auch um Parteipolitik? Streeck und Gassen wird ein guter Draht zur FDP-Führung nachgesagt
  Von Kirn Björn Becker und Rüdiger Soldt, FAZ. Vgl. FDP Bayern und FDP NRW

• Die Streeck-Gruppe verleiht ökonomischen Werten einen höheren Rang als dem Schutz vor dem tödlichen Virus. Das ist inakzeptabel.
  Von Thomas Seim, Neue Westfälische

• Wie realistisch ist die Fokussierung auf den Schutz von Risikogruppen bei der Pandemiebekämpfung?
  Von Prof. Dr. Isabella Eckerle

• Erst das brennende Haus löschen, dann über neue Brandmelder sprechen
  empfiehlt Prof. Dr. Isabella Eckerle

• Deutschlands oberster Lungenarzt verurteilt das Papier scharf
  

• Vorsitzende des "Marburger Bundes" distanziert sich von Positionspapier
  

• Virologin Brinkmann nennt Vertreter des Positionspapieres "Irrlichter"
  

• Anästhesisten protestieren: Man sei ohne Absprache als Unterzeichner des Papieres genannt worden
  

• Rheumatologen protestieren gegen inakzeptable "Taschenspielertricks, um einen breiten Rückhalt in der Ärzteschaft vorzutäuschen"
  Man sei ohne Absprache als Unterzeichner des Papieres genannt worden

• Positionspapier ist irreführend und die Situation stark verharmlosend
  Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie

• Stellungnahme von Ärzten, die Covid-19 Patienten behandeln
  

• Streeck spielt das Spiel eines politischen Spin-Doctors, nicht das eines Wissenschaftlers
  meint der Philosoph Dr. Daniel-Pascal Zorn

• Streeck und Schmidt-Chanasit sind "Gallionsfiguren in einer wirklich kruden Debatte"
  meint die Politologin Dr. Isabel Winnwa (FU Berlin)

• Streeck und Schmidt-Chanasit vertreten nicht die Mehrheitsmeinung der Virologen
  sagt der Kanzleramtsminister Braun

• "Wenn Herr Gassen den Konsens der Fachgesellschaften und die neueste Oxford-Studie nicht kennt, sollte er sich mit seinem Alu-Hut zurückziehen"
  KBV-Sprecher bezeichnet das Positionspapier als "grob fahrlässig"

• KBV-Präsident Gassen hält das Positionspapier schon nach wenigen Tagen für ergänzungsbedürftig
  

• Schönstatt-Gruppe um Pastoraltheologe Hubertus Brantzen unterstützt das Positionspapier
  

Welche Strategie im Kampf gegen Covid-19 ist die richtige?