"7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview
45. Folge: 7 Fragen an Veronika Hoffmann
anlässlich des Erscheinens ihres Buches

Jede Woche erscheint eine Menge neuer für die Theologin und den Theologen interessanter Bücher – es ist schwierig, hier eine Auswahl für die eigene Lektüre zu treffen. Das Münsteraner Forum für Theologie und Kirche möchte in Zukunft bei der Orientierung auf dem Feld der Neuerscheinungen hilfreich sein und hat deshalb eine neue Rubrik gestartet: "7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview.
In unregelmäßiger Folge werden bekannte und weniger bekannte Autoren von Neuerscheinungen gebeten, sieben Fragen zu beantworten – die ersten sechs Fragen sind immer gleich, die siebte und letzte ist eine individuelle Frage. Inspiriert ist die neue Rubrik von dem Autoren-Interview auf der Homepage des Transcript-Verlages.
Die Fragen der 45. Folge beantwortet die Freiburger Theologin Veronika Hoffmann. Gerade ist ihr neues Buch erschienen: zweifeln und glauben.

1. "Bücher, die die Welt nicht braucht." Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?

Zunächst bin ich einigermaßen guten Mutes, dass es nicht zutrifft. Denn wo auch immer ich sage, dass ich zum religiösen Zweifel forsche, entstehen in aller Regel interessante Gespräche. Ich werde mehr als zu anderen Themen angefragt für Vorträge und Texte. Auch dieses Buch ist eine "Auftragsarbeit". Aus dieser Erfahrung stammt der erste Satz des Buches: "Der Zweifel lässt kaum jemanden kalt."
Ich bin nicht sicher, ob ich schon genau weiß, warum es nicht zutrifft (ich forsche ja noch am Thema). Ein erster Anlauf: Der Zweifel ist in der christlichen Theologie bisher überraschend stiefmütterlich behandelt worden. Und meistens war er negativ konnotiert. Glaubensgewissheit war das Ideal, Zweifel dementsprechend ein Problem, möglicherweise Sünde. Heute wird ein solches Verständnis zunehmend abgelehnt. Vielen gilt der Zweifel als etwas Gutes, vielleicht gar Notwendiges (gegen Naivität, Engstirnigkeit und Intoleranz zum Beispiel). Hier scheint mir etwas im Gange zu sein, das theoretisch bisher nur begrenzt ans Licht gehoben worden ist. Nahe liegend ist natürlich, diese Verschiebungen unter anderem mit den grundlegenden Veränderungen der religiösen Landschaft in Verbindung zu bringen, die dazu führen, dass immer weniger Menschen in unseren Breiten ihre grundlegenden Überzeugungen als unhinterfragte Selbstverständlichkeiten leben. Da rückt der Zweifel "näher".

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?

Ich will "Perspektiven" im Sinn von mehr "Seh-Möglichkeiten" im Themenfeld des Zweifels eröffnen. Das geht vor allem über Differenzierungen und die Frage nach Zusammenhängen (echten und vermeintlichen). Drei Beispiele:
Erstens: Es gibt nicht "den" Zweifel, sondern man kann ganz Verschiedenes damit bezeichnen: kritische Fragen an konkrete Positionen, eine Grundhaltung "epistemischer Bescheidenheit", die die Grenzen des Erkennens insbesondere in Sachen Religion akzentuiert, eine Krise des Grundvertrauens im Verhältnis zu Gott und/ oder zur Welt ...
Zweitens: Religiöser Zweifel und religiöse Indifferenz sind verschiedene Dinge. Manchmal ist (vor allem innerkirchlich) die Rede von "Glaubenden und Zweifelnden", mit den "Zweifelnden" sind aber die religiös weniger Interessierten gemeint. Möglicherweise treibt mich der Zweifel aber gerade dann um, wenn es um etwas geht, das mir wichtig ist, während ich an etwas, das mich nicht interessiert, noch nicht einmal zweifle.
Drittens: Wenn ich meine, dass man mit guten Gründen auch eine andere (religiöse oder nichtreligiöse) Weltperspektive haben kann als ich, heißt das noch nicht automatisch, dass ich an meiner Position zweifle. Von hier aus kann man dann zum Beispiel neu fragen, ob es heute noch Glaubensgewissheit geben kann, die nicht naiv oder intellektuell unredlich ist, und was Zweifel mit Toleranz zu tun hat.

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in aktuellen theologischen und kirchlichen Debatten zu?

Das Buch ist keine Intervention in eine ganz "brandheiße" Debatte. Bei solchen Debatten habe ich oft das Gefühl, es beteiligen sich schon genug, ich muss nicht auch noch etwas sagen. Die Bedeutung liegt – hoffentlich – eher darin, ein bisschen zur Orientierung in längerfristigen Entwicklungen beizutragen. Hier reiht sich das Buch in die große Diskussion ein, wie aus theologischer Sicht die "Säkularität" unseres Zeitalters zu deuten sei – um ein Stichwort zu benutzen, das man eigentlich gleich weiter differenzieren müsste. Ich will damit nur markieren, dass für mich die Analysen von Charles Taylor in "A Secular Age" sehr hilfreich waren, um die skizzierten Perspektiven auf den Zweifel ins Blickfeld zu bekommen.

4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten einmal diskutieren?

Mit Charles Taylor. Allerdings würde ich dieser Debatte noch lieber die "wissenschaftlichere" Fassung meiner Überlegungen zu Grunde legen, an der ich noch schreibe. Das vorliegende Buch sollte ja möglichst allgemeinverständlich sein, da bleiben wissenschaftlich eigentlich notwendige Differenzierungen schon mal auf der Strecke. (Bei Charles Taylor müsste ich zum Beispiel für die notgedrungen sehr holzschnittartige Darstellung seiner Überlegungen um Verständnis bitten.)

5. Ihr Buch in einem Satz:

Angesichts der Unselbstverständlichkeit unserer (religiösen oder auch nichtreligiösen) Grundüberzeugungen lohnt es sich, intensiver über den Zweifel in seinen verschiedenen Gestalten nachzudenken sowie über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit von Glaubensgewissheit, über das Verhältnis von Zweifel und Toleranz und über den Zusammenhang von Zweifel und Identität, und dabei nicht nur möglicherweise zu einfache Konzepte, sondern auch unsere Bewertungen zu hinterfragen.

6. Sie dürfen fünf Bücher auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen. Für welche Bücher entscheiden Sie sich?

Wie lange bin ich auf der Insel? Wenn es nur ein Kurzurlaub ist, dann nehme ich mit, was ich jeweils gerade lese. Wenn es ein längerer Aufenthalt sein sollte, möglicherweise gar keines, vielleicht die Bibel.

7. Die siebte Frage stammt von der Kopenhagener Theologin Claudia Welz: Was genau ist der Unterschied zwischen Zweifel und Unglaube, und weshalb gibt es gute Gründe dafür, ein "Lob des Zweifels" anzustimmen?

Liebe Frau Welz, danke für die Fragen. Der Unterschied zwischen Zweifel und Unglaube hängt – natürlich – an der Frage, wie man Zweifel und wie man Glaube versteht. Sie treffen an dieser Stelle ja selbst Unterscheidungen, auf die ich schon zurückgegriffen habe. Zwei vereinfachte Beispiele: Wenn man strikt Glauben als Vertrauen und Zweifel als Misstrauen definiert, ist Zweifel Unglaube. Wenn man hingegen Zweifel als kritisches Hinterfragen von Inhalten versteht, dann ist er gerade kein Unglaube, auch dann nicht, wenn man Glauben seinerseits stark proportional dächte. Denn dann wäre Unglaube die Bestreitung einer Glaubensaussage, nicht ihre Hinterfragung. Einmal mehr: Deswegen finde ich es so wichtig und so spannend, sich hier genauer umzuschauen und nicht von "Glauben" und "Zweifeln" zu sprechen, als sei immer schon klar, was das ist – oder was es sein sollte. Und damit bin ich bei der zweiten Frage: Ich sage gar nicht pauschal, dass es gute Gründe gäbe, den Zweifel zu loben. Ich bin genauso dagegen, den Zweifel pauschal zu loben, wie dagegen, ihn pauschal zu verurteilen. Ich beobachte einfach, dass das "Lob des Zweifels" zuzunehmen scheint. Ich frage, warum das möglicherweise so ist, und wie es kommt, dass in Sachen Zweifel so vehement und so verschieden bewertet wird.


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)