1. "Bücher, die die Welt nicht braucht." Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?
Die "Welt" braucht nicht meine Bücher, aber vielleicht ein (neugieriger) Leser.
2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
... verschiedene, experimentierende Versuche einer mythopoetischen Relecture populärkultureller Phänomene - aus der Sicht eines Theologen. Das Buch ist auch eine Dokumentation meiner sehr persönlichen Entdeckungsreise durch die Popkultur.
Und ohne dass es von Anfang an geplant war, entfalteten sich in den verschiedenen Essays immer stärker eine Theodizee-Problematik und eine melancholische Anthropologie als Ariadne-Fäden. Die ausgewählten Beispiele inszenierten irgendwie grundlegende Probleme der Moderne (auch wenn man die Texte und Filme auch problemlos ohne diese Aspekte konsumieren kann).
3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in aktuellen theologischen und kirchlichen Debatten zu?
3.1 Kirchlich: Keine. Ich verweise nur auf meinen Essay zu "Borgia".
3.2 Oder um eine Antwort einer theologischen Zeitschrift im Konjunktiv wiederzugeben: als ich ihr einen Aufsatz über Science Fiction angeboten habe, sagte man mir, dies wäre nicht von aktuellem Interesse für katholische Leser. Stimmt. Science Fiction liegt ja in der Zukunft, ist vermutlich heidnisch und von keiner Relevanz in geschlossenen religiösen Binnendiskursen jenseits dieser Welt. Ermutigt hat mich aber u.a. das Buch von Klaus Müller: Endlich unsterblich. Zwischen Körperkult und Cyberworld, Kevelaer 2011.
3.2 "Zunächst muss sich Theologie den religiösen Implikationen des kulturellen Mainstreams stellen. [...] Solange Religion und Religiosität den tradierten Religionen zugeordnet werden, bleiben sie separierte Bereiche, die mit der tatsächlichen religiösen Sozialisation durch popkulturelle Zeugnisse wenig verknüpft sind. Erst wenn es gelingt, theologische Kulturhermeneutik als theologische und religionspädagogische Grundaufgabe in Forschung und Lehre vertieft zu verankern, können die Lernenden Religion und Religiosität als eine Wirklichkeit verstehen, die sich auch bei denen, die einer tradierten Religion fernstehen, ereignet." (U. Kropa? - U. Meier - K. König: Elf Thesen zum Kongress, in: U. Kropac u.a. (Hrsg.): Jugend, Religion, Religiosität. Resultate, Probleme und Perspektiven der aktuellen Religiositätsforschung, Regensburg 2012, 243-256, 247)
4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten einmal diskutieren?
Natürlich vollkommen illusorisch, aber wünschen darf ich mir: mit Papst Franziskus.
Und natürlich und vor allem immer mit meinen Studenten, die in diesen Bereich viel mehr wissen als ich und die unser Projekt zu Theologie und Literatur maßgeblich mit initiiert haben.
Und natürlich mit dem Centro Studi Sara Valesio (Bologna - New York), mit dem mein Kollege Marcello Neri und ich zusammenarbeiten.
Und die Diskussionen fortsetzen mit einer Redakteurin vom NDR, die sich sehr über meine Essays zu der Serie "Neues aus Büttenwarder" gefreut hat.
5. Ihr Buch in einem Satz:
Dieses Buch kommt aus der Betrachtung moderner Medien und ihrer Inhalte; seine Essays wurden zuerst in einem Internetmagazin (culturmag) publiziert, dann (überarbeitet) in Buchform, denn: gute Filme und gute Comics machen Spaß und sind bisweilen hochkomplexe, interkulturelle Referenzsysteme, sind näher an den theologischen Problemlagen als manch dickes, pseudo-objektivität-simulierendes Handbuch (mit diesem Buch habe man Gott in der Hand ...) und sind ohne (interkulturelle) Kenntnisse von Mythologie, Religion und Archetypen kaum noch zu verstehen - und sie kommen aus einer Welt, in der ich groß geworden bin und aktuell lebe (so wie auch meine Schüler und Studenten).
6. Sie dürfen fünf Bücher auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen. Für welche Bücher entscheiden Sie sich?
Platon: Symposion; Ovid: Metamorphosen; Kierkegaard: Die Krankheit zum Tode; Hölderlin und Goethe: Gedichte.
7. Die siebte Frage stammt von Thomas Wörtche, Mitherausgeber von CULTurMAG: "Theologie basiert auf dem "Sinnsystem" Religion. Die Subversion, die Populäre Kultur des Öfteren betreibt, zerlegt Sinnsysteme und feiert Kontingenz. Wie kommen Sie mit Ihrem theologisch-hermeneutischen Ansatz damit klar?"
Wenn sich religiöse Systeme als geschlossene monolithische (Sinn)Blöcke selbstreferentiell darstellen (All-inklusive-Modelle für alle Lebenslagen!) und sich gesellschaftlich auch so inszenieren, sind sie immer in Gefahr, in Ideologie oder Lüge abzurutschen (Vernunft bzw. wissenschaftliche Theologie werden/wurden dann gerne marginalisiert, deren Vertreter ignoriert, verfolgt oder exiliert). Aber: das Heterogene, Sperrige des jüdischen Gottesbildes, die Unverfügbarkeit Gottes, findet z.B. Ausdruck im Bilderverbot ... oder im Christlichen in der Kreuzigung, die alle naturreligösen Opferpraktiken bzw. die alten Sinnsysteme destruiert und einen Gott (in der christlichen Hermeneutik eben nicht nur einen Menschen!) am Kreuz zeigt, der nach dem Markus-Evangelium schreit und elend verreckt. Selbst der Kanon des NT ist in einer paradoxen Bewegung affirmativ und ikonoklastisch zugleich: weil eben die Pluralität der Jesus-Bilder und Gemeinde-Konzepte festgeschrieben wird - in aller Offenheit, unausgeglichen. Jesus selbst ist eine Subversion aller imperialen und patriarchalen Gottesbilder. Abgesehen davon gab es schon immer religiöse Popkultur: Heilige als Stars, das Geschäft mit den Reliquien oder die leuchtende Plastik-Maria. Wie ich auch schon in meinen Buch über Science Fiction dargelegt habe: monotheistische Religionen einer bestimmten Bauart und (politik- und finanzmächtiger) Institutionalisierung neigen zu einem Mythenproduktionsstopp; verdrängte, existenziell nie abschließbar beantwortbare Themen werden aber hemmungslos, bunt, subversiv, fröhlich, tief-ernst, langweilig-banal usw. in der Popkultur aufgegriffen - als wichtiger Kommentar oder Relecture oder eben einfach nur aus geschäftlichen Gründen (vgl. dazu den Ablasshandel!). Sinn gibt es immer nur im Plural, ist komplex, evolutionär und dynamisch und bereichernd ...