"7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview
17. Folge: 7 Fragen an Klaus Wengst

Jede Woche erscheint eine Menge neuer für die Theologin und den Theologen interessanter Bücher – es ist schwierig, hier eine Auswahl für die eigene Lektüre zu treffen. Das Münsteraner Forum für Theologie und Kirche möchte in Zukunft bei der Orientierung auf dem Feld der Neuerscheinungen hilfreich sein und hat deshalb eine neue Rubrik gestartet: "7 Fragen an ..." – Das MFThK-Kurzinterview.
In unregelmäßiger Folge werden bekannte und weniger bekannte Autoren von Neuerscheinungen gebeten, sieben Fragen zu beantworten – die ersten sechs Fragen sind immer gleich, die siebte und letzte ist eine individuelle Frage. Inspiriert ist die neue Rubrik von dem Autoren-Interview auf der Homepage des Transcript-Verlages.
Die siebzehnte Folge des MFThK-Kurzinterviews kommt aus Bochum. Dort lehrte bis zu seiner Pensionierung im August 2007 Klaus Wengst. Sein neues Buch trägt den Titel "Der wirkliche Jesus? Eine Streitschrift über die historisch wenig ergiebige und theologisch sinnlose Suche nach dem 'historischen' Jesus".

1. "Bücher, die die Welt nicht braucht." Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?

"Die Welt" braucht mein Buch nicht. Aber einer Welt, die sich von immer neuen Jesusbüchern imponieren, unterhalten oder auch irritieren lässt, täte mein Buch als Mittel zur Ernüchterung gut. Es bietet sozusagen die Zeitlupe, die die Produktion von Jesusbüchern als das Erzielen von "Phantomtoren" kenntlich macht.

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?

Mein Buch eröffnet überhaupt keine neuen Perspektiven, sondern führt auf alte, aber penetrant übersehene zurück. In historischer Hinsicht erinnert es an das "Leben Jesu" von David Friedrich Strauß aus dem Jahr 1835, nach dem sich aufgrund des Charakters der Evangelien nur "das einfache historische Gerüste des Lebens Jesu" erheben lässt, und knüpft in theologischer Hinsicht an Martin Kählers Vortrag von 1892 an, nach dem der wirkliche Jesus der in den Evangelien verkündigte Jesus ist und nicht ein "historischer" Jesus hinter ihren Texten.

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in aktuellen theologischen und kirchlichen Debatten zu?

Zur Debatte steht, worauf sich Theologie und Kirche beziehen, ob auf das für das ganze Neue Testament grundlegende Zeugnis von einem neuschöpferischen Handeln Gottes am gekreuzigten Jesus oder auf eine historisch zu erhebende angebliche Besonderheit oder Außerordentlichkeit Jesu, womit man sich von wechselnden Behauptungen historischer Wissenschaft abhängig machen würde.

4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten einmal diskutieren?

Mit denjenigen gegenwärtigen Autoren, mit denen ich mich im zweiten Teil auseinandergesetzt habe: Wolfgang Stegemann, Gerd Theißen, Thomas Söding und Jens Schröter.

5. Ihr Buch in einem Satz:

Da der Konstruktionspunkt der Evangelisten, der ihre gesamte Darstellung durchdringt, das Zeugnis von der Auferweckung Jesu durch Gott ist und sie also Jesus nicht als Gewesenen und ein für allemal Toten, sondern als lebendig Gegenwärtigen erinnern, kann die historische Rückfrage nur zu dürftigen Ergebnissen kommen und muss es theologische Aufgabe für Exegetinnen und Exegeten sein, die vorliegenden Evangelien in ihrer jeweiligen spannungsvollen Einheit und in ihrer Unterschiedenheit voneinander auszulegen, wobei es um Vielfalt der Auslegung ohne Beliebigkeit geht.

6. Sie dürfen fünf Bücher auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen. Für welche Bücher entscheiden Sie sich?

Meine aus einem jüdischen Tanach und einem griechischen Neuen Testament zusammengebundene Arbeitsbibel; die Lutherbibel von 1545; Mischna Avot; Nicole Krauss, Die Geschichte der Liebe; James F. Cooper, Lederstrumpf.

7. Nach der Beantwortung der ersten sechs Fragen wurde Prof. Dr. Thomas Söding gebeten, die siebte Frage zu formulieren:
"Wenn Sie theologisch bei der Auferweckung Jesu ansetzen - welche Notwendigkeit und Chance sehen Sie denn, methodisch einzuholen, dass kein anderer als Jesus von Nazareth gekreuzigt und begraben und auferstanden und erschienen ist?"

Dass kein anderer als Jesus aus Nazaret gekreuzigt, begraben, auferstanden und erschienen ist, sagen die neutestamentlichen Zeugen. Am Ende der Evangelien gibt bei Matthäus der Bote des Ewigen als Identitätsmerkmal des auferweckten Jesus an: "der Gekreuzigte" (28,5) und wird der den Frauen und den elf Schülern Begegnende als "Jesus" benannt (28,9.16-18), identifiziert bei Markus der Jüngling im Grab Jesus über den Gekreuzigten hinaus mit der Herkunftsangabe "aus Nazaret" (16,6), setzt bei Lukas die Frage der beiden Männer im Grab: "Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten?" (24,5) die Identität des im nächsten Vers als auferweckt Bezeugten mit Jesus aus Nazaret schlicht voraus und identifiziert sich der seinen Schülern in Jerusalem Begegnende an seiner Leibhaftigkeit (24,40-43), erweist bei Johannes der Auferweckte seine Identität an den Wundmalen des Gekreuzigten (20,20.25.27). Kann ich die Aussage dieser Zeugen, der Evangelisten, "methodisch einholen"? Kann sie etwas dadurch gewinnen, dass ich aus der Darstellung eben dieser Zeugen versuche, historisch verwertbares Datenmaterial zu eruieren, und aus ihm wahrscheinlich mache, dass es tatsächlich einen Jesus aus Nazaret gegeben hat, der dieses und jenes gesagt und getan haben könnte? Dass Gott den bestimmten Menschen Jesus aus Nazaret von den Toten auferweckt hat, ist eine Aussage, die sich der Überprüfbarkeit in der menschlichen Erfahrungswelt entzieht und also analogielos ist und daher auch historisch nicht verifiziert werden kann. Sie ist die Voraus-Setzung, die Vor-Gabe, von der die Evangelisten ausgehen. Sie bildet den Konstruktionspunkt ihrer Darstellung, der diese durchgehend bestimmt. Dieses Zeugnis kann und will ich nicht "einholen", indem ich es hintergehe, und nach irgendwelchen mehr oder - meistens - weniger wahrscheinlichen herausragenden Besonderheiten des "historischen" Jesus suche.


Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (MFThK)